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Augustinus: Essen und Nicht-essen ist schwierig. Aber gut!

 

Wie gehts uns? :) Die Fastenzeit schreitet fort und dauert gar nicht mehr lang!

 

Wir sind schon so Gewohnheitstiere. So sehr, dass wir uns nach zwei Wochen an eine neue Ernährungsroutine gewöhnen können, wenn wir nur wollen. Und über die letzten Jahrzehnte haben wir uns an Überfluss, Sorglosigkeit bis Achtlosigkeit und Luxus gewöhnt. Natürlich ist da der Gedanke, dass mal nicht genug Essen da sein könnte, um mit vollem Bauch ins Bett zu gehen, erschreckend. Und auch die Angst vor so einer umgehenden Krankheit ist verständlich, weil wir so sehr an Gesundheit, langes Leben, ja beinahe Unsterblichkeit oder zumindest lange lange Jugend gewohnt sind. 

Ich liebe das Fasten eigentlich. Weil es mir etwas nimmt, das ich von Gott erhalten habe, womit ich aber nicht immer gut umgehen kann: meinen Willen. Jetzt in der Fastenzeit halte ich mich ans Fasten, und das eigentlich meistens mit Leichtigkeit, weil ich gar nicht erst daran denke, dass ich jetzt noch etwas will oder begehre; meine Gedanken hören dort auf, wo ich weiß, dass sie keinen Sinn mehr haben sondern nur noch mein Leben erschweren. 

Das klappt für mich wirklich nur in der Fastenzeit; es ist eine Zeit des Waffenstillstands. Ansonsten hab ich oft arge Ringkämpfe mit meinem Willen auszuführen- vielleicht geht es manchen von euch gleich. Das ist nicht gut und ich weiß, dass ich daran arbeiten muss und will, aber es ist ein Kampf, und jeder Kampf lässt uns müde oder manchmal sogar enttäuscht aus sich hervorgehen. Manchmal als Verlierer, manchmal als Sieger, aber immer erschöpft. 

 

Aber jetzt will ich aufhören zu reden und werde den großen Kirchenvater Augustinus von Hippo, sprechen lassen.  

Ich lese zur Zeit wieder in seinen 'Bekenntnissen'. Ich bin immer wieder hin und weg. Er spricht mir oft einfach aus der Seele, so sehr, dass es mir das Herz zusammenzieht und gleichzeitig ausdehnt. 

Eines der ersten Kapitel der Bekenntnisse, das ich gelesen habe, ist das über die "Begierlichkeit im Essen und Trinken" (Zehntes Buch/ 4/ XXXI). Es ist ein Kapitel in einer ganzen Serie zu Begierlichkeit in verschiedenen Lebensbereichen. Damals, ich weiß noch, hatte ich eine etwas schwierige Phase was essen, sei es über oder unter, angeht. 

Dieses Kapitel möchte ich euch jetzt lesen lassen. Ganz besonders gut passt es auch, weil wir ja in der mittlerweile vierten Fastenwoche stecken. Und uns bestimmt hin und wieder die Luft, Energie, der Wille zum Fasten fast ausgeht. Durch den Text wurde mir immer wieder klar, dass es eigentlich etwas Tolles ist, mal zu Fasten, und dass diese Hindernisse, die sich uns in den Weg schmeißen, keineswegs unüberwindbar sind. Augustinus war Heiliger und ein starker Mann Gottes; vielleicht klingen manche Sachen extrem ausgedrückt, oder manche Sachen wollen wir nicht hören, weil sie uns aus der Comfort-Zone ziehen, aber im Großen und Ganzen wird von ihm einfach wunderschön gesagt, wie wir Menschen alle manchmal zu kämpfen haben. Der Text ist gespickt mit Bibelversen, und er ist länger als meine eigenen 'Bekenntnisse', aber halt durch, es lohnt sich! ;) 

 

Ein paar der Dinge, die ich daraus mitgenommen habe:

- Essen an sich ist etwas Gutes

- so schön es ist, sich so richtig vollzustopfen - ganz gesund und gottgewollt ist es wahrscheinlich nicht... Sorry (ich spreche mich selber auch an...) 

- Achte nicht darauf, wie andere fasten; tu genau das, was du glaubst, dass Gott es von dir will 

- die Lust nach Essen ist eigentlich nur schlecht, wenn sie dazu führt, dass wir mürrisch werden

- Versuchungen sollten wir also aus dem Weg gehen: vielleicht Süßigkeitenabteilung meiden oder gleich vom Esstisch aufstehen, wenn man ansonsten in Versuchung gerät, weiter zu essen. 

- jede Begierde in uns kann überwunden werden! Durch ihn, der uns stärkt (Philipperbrief 4:13) 

- wenn wir sie überwinden, wenn wir 'gut' fasten, ist das Gottes Wirken in uns; seine Kraft in uns, die wir in ihrer Fülle gebrauchen

- die Lust nach Essen ist für manche, auch Augustinus, noch schwerer 'abzustellen' als die sexuelle Lust 

- uns geht nichts ab, wenn wir etwas nicht essen. Das fomo-Syndrom (fear of missing out-syndrome) beim Essen können wir uns zu unserem eigenen Wohl abgewöhnen. Schokolade wird auf ewig existieren, oder Fleisch können wir schon am kommenden Sonntag wieder genießen. 

- u.v.m. :) 

 

Bekenntnisse - Zehntes Buch/ 4/ XXXI: "Begierlichkeit im Essen und Trinken"

 

"Es gibt noch eine andere "Plage des Tages": möge ihm an ihr genügen! Wir stellen ja den täglichen Verfall des Leibes durch Essen und Trinken wieder her, solang, bis Du "Speise und Magen zerstörst", wenn Du das Bedürfnis durch eine wundersame Sattheit tilgst und "dieses Verwesliche mit ewiger Unverweslichkeit" bekleidest (Korinther 6:13). Einstweilen aber ist mir diese Nötigung lieb, und gegen dieses Genießenwollen kämpfe ich an; um nicht gefangen zu werden, führe ich einen täglichen Krieg mit Fasten, wodurch ich des öftern "meinen Leib in Dienstbarkeit" bringe (1. Korinther 9:26). Aber meine Schmerzen werden durch Genuss ausgetrieben. Denn Hunger und Durst sind eine Art von Schmerz, sie brennen und würden wie das Fieber töten, wenn das Heilmittel der Speisen nicht hülfe. Aber weil dies dank Deinen tröstenden Gaben bereit steht, die Erde, Wasser und Himmel unserer Schwachheit zur Verfügung stellen, wird Genuss genannt, was im Grunde ein Übel ist. 

Darin hast Du mich unterwiesen, dass man die Speisen wie Heilmittel einnehmen sollte. Doch während ich vom beschwerlichen Bedürfnis zur gestillten Sattheit übergehe, lauert mir beim Übergang die Schlinge der Begier. Der Übergang selbst bereitet ja Genuss, und einen andern Übergang als den von der Not gebotenen gibt es nicht. 

Obschon die Gesundheit der Grund für Essen und Trinken ist, gesellt sich ihr doch als Begleiter ein gefährliches Ergötzen bei und gewinnt gar oft vor ihr den Vorsprung, sodass man seinetwegen tut, was ich aus Gesundheitsgründen zu tun behaupte oder auch tun möchte. Beider Maß aber ist nicht dasselbe, denn was für die Gesundheit ausreicht, ist dem Ergötzen zu wenig. Und sehr oft ist ungewiss, ob noch immer die nötige Leibessorge Hilfe verlangt oder ob Lustbegier sich listigen Dienst erschleicht. Dies Ungewisse betört die arme Seele, sie findet darin Entschuldigung und freut sich, nicht klar zu sehen, was die Gesundheit als ihr Maß erfordert, um so unter dem Vorwand der letztern ein Geschäft der Lust zu verbergen. 

Täglich suche ich solchen Versuchungen zu widerstehen. Ich rufe deine Rechte an und unterbreite dir meine Unsicherheit, weil ich in dieser Hinsicht noch nicht genügend Bescheid weiß. 

Ich vernehme die Stimme meines Gottes, die uns vorschreibt: "Eure Herzen beschwert nicht mit Schwelgerei und Trunksucht." (Lukas 21:34) Trunksuscht liegt mir fern; dein Erbarmen wird erhindern, dass sie mir naht. Aber die Gaumenlust wandelt zuweilen deinen Diener an: Dein Erbarmen entferne sie weit von mit. "Denn keiner kann enthaltsam sein, wenn du es nicht gibst." (Buch der Weisheit 8:21). Vieles gewährst du uns, wenn wir darum bitten, und alles vor dem Gebet empfangene Gute haben wir ebenfalls von dir; es nachträglich einzusehen, ist nochmals deine Gabe. 

Ein Trinker bin ich nie gewesen, aber Trinker, die du nüchtern werden ließest, habe ich gekannt. Von die also stammt es, dass die es nicht sind, die es niemals waren; von dir auch, dass solche, die es waren, es nicht immer blieben, und auch von dir, dass beide dich als den Urheber erkennen. 

Ich hörte eine weitere Weisung von dir: "Deinen Begierden laufe nicht nach und versage dir, was für dich Lust ist" (Buch Sirach 18:30). Und ein weiteres Geschenk von dir ist ein Wort, das mir sehr lieb ist: "Weder sind wir im Nachteil, wenn wir nicht essen, noch im Vorteil, wenn wir essen." (1. Korinther 8:8). Das heißt, weder versetzt mich das eine in Überfluss noch das andere in Elend. Und noch ein weiteres hörte ich: "Ich habe gelernt, in der Lage, in der ich bin, zufrieden zu sein und mir genügen zu lassen. Ich weiß Überfluss zu haben und in Bedürftigkeit zu leben. Alles vermag ich durch den, der mich stärkt." (Philipper 4:11 f.)

Das ist der rechte Soldat des himmlischen Heerlagers und nicht Staub, wie wir es sind. Aber sei eingedenk, Herr, dass wir Staub sind (Psalm 103:4), dass du den Menschen aus Staub gemacht hast und er verloren war und wiedergefunden wurde (Lukas 15:24). Auch jener Krieger vermochte es nicht aus sich selbst, denn auch er war Staub, er, der unter dem Anhauch deiner Inspiration gesagt hat, was mich ihn lieben lässt: "Ich vermag alles in dem, der mich stärkt." (wieder Philipper 4:13) Stärke mich, damit ich kann; gib, was du forderst und fordere, was du willst. Jener bekennt, dass er alles empfangen hat, und mahnt: "Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn." (1. Korinther 1:31). 

Einen andern hörte ich bitten, dass er empfange (Buch Sirach 23:6)): "Nimm weg von mir die Begierlichkeit des Bauches." Somit ist klar, dass du mein heiliger Gott, dass, wenn man tut, was du zu tun befiehlst, es deine Gabe ist. 

Du hast mich belehrt, guter Vater, dass den Reinen alles rein ist, dass es aber übel ist, wenn ein Mensch durch Essen Anstoß erregtm und dass alles von dir Geschaffene gut ist und nicht zu verwerfen, was in Danksagung angenommen wird (Römerbrief 14:20), und dass nicht die Speise uns Gott empfiehlt, und dass niemand wegen Speise und Trank über uns richten soll (Timotheus 4:4), und dass, wer nicht isst, nicht über den richten soll, der isst (1. Korinther 8:8). Das alles habe ich gelernt. Dank dir, preis dir, meinem Gott und meinem Lehrer, der an mein Ohr pocht und mein Herz erleuchet. Entreiß mich aller Versuchung. Ich schrecke nicht vor unrein machendem Fleisch zurück, sondern vor dem Schmutz der Begierde. 

Ich weiß: Noah wurde erlaubt, jede Art Fleisch zu essen, die als Nahrung dienen kann; Elija wurde durch Fleischnahrung wiederhergestellt, Johannes, der wunderbar Enthaltsame, wurde durch Tiere, nämlich die Heuschrecken, die er aß, nicht befleckt. Ich weiß aber, dass Esau durch seine Begier nach einem Linsenmus betrogen wurde, dass David sich sein Gelüst nach einem Trunk Wasser zum Vorwurf machte und dass unsser König nicht anlässlich von Fleisch, sondern von Brot versucht wurde (Jesus in der Wüste). Deshalb verdiente auch das Volk in der Wüste Tadel, nicht weil es nach Fleisch begehrte, sondern weil es aus Lust nach Nahrung wider den Herrn murrte. 

Von diesen Versuchungen umgeben kämpfe ich täglich an gegen die Begier nach essen und Trinken. Geht es doch bei diesem Genuss nicht um einen einmaligen Willensentschluss, abzubrechen und nicht darauf zurückzukommen, wie ich es beim Geschlechtsverkehr vermochte. Somit gilt es, dem Gaumen einen Zaum anzulegen, den man bald lockert, bald strafft. Aber wer, Herr, lässt sich nicht zuweilen über die Grenzen des Notwendigen fortreißen? Gibt es ihn, so ist er groß; er verherrliche deinen Namen! Ich bin kein solcher, bin nur ein sündiger Mensch. Aber ich will Deinen Namen verherrlichen. Der aber, der die Welt besiegt hat (Jesus im Johannesevangelium), möge bei dir Fürsprache einlegen für meine Sünden, mich auch unter die geringsten Glieder seines Leibes zählen (Römer 8:34). Denn deine Augen haben dieses Leibes Unvollkommenheit gesehen (Psalm 139:16) und alle sollen verzeichne werden in deinem Buch (Ijob 7:1)."